5. SONNTAG der Osterzeit
Im Fernsehen begegnen uns Bilder von Menschen, die ganz anders leben als wir. Auch bei uns leben wir mit Menschen aus anderen Kulturen zusammen, mit anderen Gewohnheiten und Bräuchen, oft auch mit einem anderen Glauben. Auf manche wirkt diese komplexe Welt bedrohlich und sie geraten dadurch in Verwirrung. Wir brauchen einen klaren Kompass, mit dem wir unser Leben auf Kurs halten können.
Ist es nicht das, was Jesus uns in diesem Evangelium sagen will? Er sagt es natürlich mit anderen Worten, in einer Bildsprache. Wir brauchen ihn, wenn wir in diesem Leben als Christen leben wollen. Nur wenn wir mit ihm verbunden bleiben, finden wir den richtigen Weg. Verbunden mit Jesus, so wie Rebzweige mit dem Weinstock verbunden sind.
Eine Rebe kann nur am Leben bleiben, wenn sie mit dem Weinstock verbunden ist. Sonst bekommt sie keinen Lebenssaft mehr, verliert ihre Kraft, verdorrt, stirbt. Denn Früchte, Trauben, kann sie - nur aus sich heraus - nicht bringen. So kann ich nur Christ sein, wenn ich in fester Verbundenheit mit Jesus lebe. „Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, in dem kann ich wirken, und er wird viel Frucht tragen.“ Um als Christ leben und handeln zu können, brauche ich die mich bewegende Lebenskraft von Jesus: Seine Gedanken, Vorstellungen, Gefühle, die ich in mir aufnehme, mir aneigne, die mich motivieren und vorantreiben.
Das geschieht nur dann wirklich, wenn wir tun, was Johannes in seinem Brief sagt (haben wir in der ersten Lesung gehört): „Lasst uns einander lieben: nicht mit leeren Worten, sondern mit tatkräftiger Liebe und in aller Aufrichtigkeit.“ Liebe ist nicht an erster Stelle ein Gefühl, sondern besteht aus Taten, durch die wir anderen Gutes tun. Daran zeigt es sich, dass Jesus unser Leben bestimmt. Und er fügt sogar noch hinzu: „Wer das tut, der lebt in Gott, und Gott lebt in ihm.“ Es gibt da ein wunderschönes Lied, in dem es heißt: „Ubi Caritas et Amor“ (überall wo geliebt wird), „Deus ibi est“ (dort ist Gott).
Wir wissen natürlich auch ganz genau, dass wir es oft nicht zusammen-bringen, so zu lieben, weil in uns auch andere Kräfte wirken: Neid, Egoismus, Eifersucht, Herrschsucht... Unsere Liebe bleibt immer Stückwerk. Deswegen meint Jesus: Nur wenn ihr mit mir verbunden bleibt - wie die Reben mit dem Weinstock - kann ich in euch, kann Gott in euch - mit seiner Lebenskraft, mit seiner Liebe - wirken.
Das ist die Botschaft der heutigen Lesungen. Wir wissen es schon lange, es ist nichts Neues. Aber Jesus muss uns immer wieder daran erinnern, damit es tief in uns eindringt, damit wir es immer wieder neu versuchen. Christ ist man nicht nur für sich selbst. Unser Christsein soll in dieser Welt etwas bewirken, Frucht bringen, unser Zusammenleben ändern, eine neue Qualität geben.